DER PREIS DES ARCHITEKTEN
Jeder hat seinen Preis befand schon im 17. Jahrhundert der britische Premier Sir Robert Walpole. Das wird auch heute Keiner für Andere ausschließen. Mit der Wahrnehmung des eigenen Preises sieht das vermutlich deutlich anders aus. Wer wird sich schon selbst als käuflich bezeichnen? Und doch und gerade weil das wohl jeder für sich verneinen würde, müssen wir an dieser Stelle mal darüber nachdenken, denn Käuflichkeit kommt in vielen Formen und Facetten daher. Ihre offensichtlichste Form ist – die Bestechung – die Gabe und Annahme von Geld für Vorteile die man sich dadurch gegenüber Anderen verschafft. Und damit sind wir schon beim Kern des Themas, der uns interessiert. Es ist nicht die Gabe und Annahme von Geld oder sonstigen Vergünstigungen, sondern das Verschaffen von Vorteilen auf Art und Weisen die der Allgemeinheit Schaden zufügen. Schaden nicht allein im Sinne pekuniär messbarer Werte sondern Schaden im Sinne einer Aushöhlung von Werten und geschriebenen sowie ungeschriebenen Gesetzen. Das sind die schleichenden, die langsam und sehr allmählich über lange Zeiträume eintretenden Schäden, die erst wirksam werden wenn die entsprechenden Werte soweit untergraben sind, daß das ganze Wertesystem morsch und hohl wird und irgendwann so ausgehöhlt ist, daß es in sich zusammenbricht. Wie immer bei diesen schleichenden gesellschaftlichen Prozessen wundert sich dann, wenn es soweit ist, jeder, wie es denn überhaupt soweit hat kommen können. Wer denn wohl die Schuld daran habe. Meist wir selbst, lautet die Antwort. Wir, die wir zugeschaut, oder weggeschaut, oder einfach blauäugig daran teilgenommen haben.
Was heißt das nun, sich einen Vorteil verschaffen und wo liegt vor allem die Schädlichkeit? Macht das nicht ohnehin Jeder? Ist nicht ohnehin Jeder gezwungen so zu handeln um wirtschaftlich überleben zu können? Obwohl wir wissen daß Viele, ja Allzuviele so handeln, ein muß kann jedoch daraus noch lange nicht abgeleitet werden. Wirtschaftlich überleben kann ich auch in einem fairen Wettbewerb um die beste Lösung für eine Bauaufgabe beispielsweise in einem Architektenwettbewerb.
Wie sieht sie nun aus, die das Wertesystem aushöhlende Vorteilsnahme, die wir meinen? Da sind diejenigen die durch unbezahlte Mehrleistungen Andere übertreffen wollen. Noch ein Rendering, noch eine Perspektive oder noch eine zusätzliche Typologie oder Kostenschätzung oder Modell ohne Honorierung seien als einfache Beispiele genannt. Man fragt sich ob diese „Mehrleister“ nicht sehen wohin ihr Handeln führt. Es mag Ihnen ja gelingen damit das eine oder andere mal erfolgreich damit zu sein. Doch Sie können sicher sein wenn nicht heute, dann bestimmt morgen, wird Einer kommen, der noch mehr zum gleichen Preis bietet, und dann in genau dieser Logik noch Einer und noch Einer. Die Sieger in diesem Prozess sind letztlich die Großen, die Dumping durch anderweitig verdientes Geld kompensieren können. Der Mehrheit der Mehrleister geht irgendwann die Luft aus. Fatalerweise haben sie dann viele Kollegen mit in den Dumpingabgrund gezogen. Das, so nehme ich an, ist diesen Kollegen aber sowieso egal. Gemeinsam geht sich besser unter. Wenn ich untergehen muß, dann tut es doch gut ein paar Konkurrenten mitzunehmen.
Und weiter gehts in Liste der Vorteilsverschaffung. Da sind die scheinbar Risikofreudigen, diejenigen die ihre Leistung auf Erfolgsbasis zu Markte tragen. Sie erbringen Vorentwurfsleistungen – und Mehr – für Investoren auf reiner Erfolgsbasis. Heißt, nur wenn der Investor Erfolg damit hat, heißt sein Projekt auch realisieren kann, sieht der Architekt Geld. Heißt auch, oft genug sieht er eben kein Geld und geht leer aus. Ja, wer macht denn sowas ? Ohne hier Namen nennen zu wollen erfährt man im Laufe der Zeit, was man eigentlich nicht glauben wollte, daß viele, sehr viele, auch namhafte Kollegen auf genau dieser Basis arbeiten.
Vieles ließe sich noch anführen was in dieses Schema passt. Wir denken beispielsweise an die Büros die nach dem Prinzip Schleppnetzfänger arbeiten. Das sind die, die eigentlich für bestimmte Aufträge zu groß sind,diese aber trotzdem annehmen um sozusagen ihr Team oder ihre „Praktikanten“ bei Laune zu halten. Und wenn es nur darum geht nur jemand bei Laune zu halten, muß man natürlich auch kein Geld verlangen. Wir denken an diejenigen die schlicht und einfach Praktikanten und Scheinpraktikanten unentgeltlich für sich arbeiten lassen um die eingesparten Gelder als Waffe gegen die Konkurrenz einsetzen zu können.
Das erschreckende an dieser ganzen Misere ist, daß dies keine Einzelfälle sind sondern ein weitverbreitetes und weitverzweigtes System, daß das alles in einer Phase absoluter Bauhochkonjunktur gängige Praxis ist. Wie, so frage ich mich, wird das aussehen wenn diese Phase zu Ende ist. Keine Hochkonjunktur dauert ewig, wie wir wissen. Wie wird das erst aussehen wenn in nicht allzuferner Zukunft die HOAI fallen wird? Dann wird die Architektenwelt wir wir sie in Deutschland kennen und zu einem wesentlichenTeil so auch schätzen der Vergangenheit angehören. Wir werden in dem Sumpf den wir selbst geschaffen haben wie im Treibsand verschwinden. Dann wird es definitv zu spät sein aufzuschreien und zu klagen. Der selbstgeschaffene Unrat aus mangelnder Solidarität und Vorteilnahme, wird uns die Kehle verstopfen und unser Jammern ersticken. Dramatisch ? Ja, dramatisch !! Sage keiner, so schlimm wird es schon nicht kommen. Doch, genauso wird es kommen ! Natürlich wird es weiterhin Architekten geben. Die Frage ist jedoch zu welchen Bedingungen werden sie noch arbeiten können. Eine freie, unabhängige Architektenschaft, die von den Erlösen ihrer Arbeit leben kann, ist etwas anderes und kann anders und vor allem selbstbewußter und unabhängiger von wirtschaftlichen Interrssen agieren, als ein Heer von Angestellten in Großfirmen gepaart mit Küchentischarchitekten die sich, ähnlich wie heute amazons „mechanical turks“, von für billigstes Geld, konkurrierend verkauften Kleinstleistungen ernähren müsssen, die von der Hand in den Mund arbeiten und sich zu nahezu jeglichen Bedingungen verpflichten müssen nur um ihren Beruf überhaupt noch ausüben zu können. Darüber steht dann das Motto: we are all prostitutes. Ja es ist fatal und traurig, aber es ist auch kein Naturgesetz. Es liegt an uns die Gesetze der Prostitution, denen wir uns selbst angedient haben, zu durchbrechen. Sagen wir nein zu Dumpinghonoraren, sagen wir nein zu überzogenen Leistungsforderungen der öffentlichen Auftraggeber, sagen wir nein zu Angeboten die das Investorenrisiko auch noch auf unsere Schultern zu laden versuchen. Fangen wir sofort damit an!
Auch wenn die Sonne der Konjunktur uns derzeit noch schön wärmt, der Herbst der aktuellen Konjunktur und der Winter der anschließenden Rezession wird kommen. Und lezterer wird schrecklich sein. Dann, ja dann wird er endlich kommen, der Schrei nach Solidarität. Solidarität unter Verhungernden soll es zwar geben, letzlich kann sie zu diesme Zeitpunkt nur noch zum gemeinsamen, solidarischen Verhungern beitragen. In Zeiten der Hochkonjuntur muß man die Basis für schlechte Zeiten legen. Das gilt im Privaten wie im Berufsstand. Wer jedoch meint Vorsorge liege nur in der persönlichen Vorteilsbeschaffung auf Kosten der Berufskollegen und damit des Berufsstandes, der irrt gewaltig. Hat sich der Berufsstand erstmal unter die Prostituierten eingereiht wird es schwer diesen Status wieder loszuwerden. Wir können dann noch diskutieren wer zu den Edel- und wer zu den Strassenprostituierten zu rechnen ist. Schöne Aussichten – selbst schuld !!